Woche zwei. Ich ändere die Struktur ein wenig und schreibe zunächst etwas über den Alltag. Wen das nicht interessiert, kann es überspringen -- ich schreibe es aber auf, da es für die Auswertung und Berichte am Ende nützlich wird. Danach folgt ein Bericht über die Wochenenden, die ich mit dem Mountaineering Club in Stanage Edge bzw. in Stonehenge u. Bath verbracht habe.

Tatsächlich entwickelt sich doch recht schnell ein Art Alltagstrott, aber bin nun auch schon etwas mehr als einen Monat im Birmingham. Neben dem morgendlichen Aus-dem-Bett-Kommen muss ich mich immer bemühen, möglichst pünktlich bei den Vorlesungen zu sein, was nicht so immer so gut klappt. Ansonsten ist es nicht so schön, dass ich die meisten Tage bis 5:00 oder 6:00 pm Unterricht habe, da es dann immer schon dämmrig ist. So ist die Motivation zum Beispiel Laufen zu gehen unter der Woche sehr gering. Ähnliches gilt für Hausarbeit, die natürlich auch von allen gleichermaßen erledigt werden sollte. Da das Essen in England so schlecht ist, koche ich aber wieder mehr als zuletzt in Dresden.

Ramsey Theorie: Das ist derzeit das interessanteste Fach. Ich habe zwar keine Ahnung, ob es Anwendungen für die Inhalte gibt, aber es sind sehr interessante Beweisführungen dabei. Überhaupt ist das saubere Führen von Beweisen momentan einer der Schwerpunkte.

Compilers & Languages : Die zweite Woche war es recht langweilig. Es ging nun intensiver um Tokenizer, der ersten Compilerkomponente, welche den Quellcode (= Lange Sequenz von Zeichen) in syntaktisch zusammenhängende Stücke zerlegt und diese klassifiziert. So wird aus „012313” eine Zahl und  „if“ ein Schlüsselwort für ein „if”-Statement. Der Unterbau aus der theoretischen Informatik sind Regular Expression, mit welchen man jeweils beschreiben kann, welche Zeichenfolgen gültige Zahlen sind, und welche Namen man Variablen und Funktionen geben darf. Diesen Formalismus und seine äquivalentes automatentheorisches Konzept „Endliche Automaten‘ sowie „Reguläre Sprachen“ haben wir in Dresden recht Ausführlich im dritten Semester durchgekaut. Der Dozent benutzte hier eine leichte Abwandlung namens „Dotted Items“: Ein Dotted Item ist eine Regular Expression, in die noch genau ein Dot  (Punkt) eingefügt wird, welche die aktuelle Position markiert. Eine Menge von Dotted Items repräsentiert einen Zustand. So kann das Matching für mehrere RegExes auf einmal getestet werden. Auch wenn ich diese grundlegenden Inhalte nicht in einem Masterkurs erwartet hätte, finde ich es positiv, dass im Unterschied zu unseren Vorlesungen in Dresden, beispielhaft an Tokenizing gelehrt wird. So steht Theorie nicht für sich alleine im Raum. Es gibt darüber hinaus freiwillige Übungsaufgaben, à la Implementiere einen Tokenizer auf Basis der vorher ausgerechneten Zustandsübergangstabelle in Java.

Auch in Woche 3 änderte sich am Niveau wenig. Wir schritten zu Kontextfreien Grammatiken voran, führten einen sehr informellen Beweis darüber, das diese ausdrucksstärker als Reguläre Grammatiken sind. Zuletzt schrieben wir einen einfachen Parser in Java. (Zumindest das explizite Anwenden ist auch hier wieder im Unterschied zu Dresden neu.)

Principles of Programming Languaes: Dieses Fach ist mein einziger Honours Level Kurs, womit das letzte Jahr des Bachelor Studiums gemeint ist. Das das Level ist aus Mangel an theoretischen Vorkenntnissen bei den Studenten wieder recht niedrig. Es gab also langweilige Übungen zu Induktion, Rekursion und Isomorphismen. In der Vorlesung wurde Currying und der Getypter Lambda-Kalkül angerissen. Die didaktische Aufarbeitung gefiel mir allerdings besser als das Äquivalent (vermutlich Programmierung (Semester 2)) in Dresden. So gab es eine geschichtliche Verortung der Inhalte in die 20er und 30er Jahre des letzten Jahrhunderts, wo sich u.a. Church, Turing und  Gödel fragten, was man eigentlich überhaupt mit einer Maschine berechnen kann. Dazu entwicklten sie einfache aber universelle Formalismen, wie den Lambda-Kalkül und die Turing-Maschine und bewiesen einige theoretische Aussagen zur Berechbarkeit. Es folgte noch eine kurze Einführung in Haskell, einer Programmiersprache mit der ich mich auch seit dem zweiten bzw. vierten Semester beschäftige. Anschließend ging es um Strukturelle Induktion zum Beweisen von Programmeigenschaften — das den Ersties in den Programmierungsübungen in Dresden beizubringen, war besonders schwierig. Zumindest von der Didaktik kann ich mir hier etwas abgucken. Nachdem ich heute zwei Assignments auf einmal eingereicht habe, erreichte mich eine Email, dass ich besser in ein Individual Studys-Modul wechseln soll, d.h. Literaturstudium, schriftliche Arbeit und persönliche Betreuung durch den Prof.

Game Theory: Ich konnte zu Game Theory wechseln und musste nun natürlich den Inhalt der verpassten ersten Vorlesung aufarbeiten. Hier gab es einen Überblick zur Linearer Optimierung, Stoff an den ich mich noch leidlich aus OPTINUM (Mathe-Nebenfach) erinnere. Anschließend wurden Matrix-Spiele eingeführt. Ich nutze in dieser Woche die meiste Zeit zwischen den Vorlesungen um das Simplex-Verfahren zu wiederholen. Die Vorlesung unterscheidet von der anderen Mathevorlesung in so fern, als dass mehr Wirtschaftsmathematiker drin sitzen und weniger Beweise geführt werden. Dem Akzent nach zu Urteilen, kommt der Lehrende aus Osteuropa — der Vorlesung kann man gut folgen.

Neural Computation: Es ging weiter mit Grundlagen: McCulloch Pitts Neuronen und Netze, Begriffe wie Lineare Separierbarkeit, usw. Herr Bullinaria, der Lehrende, hat Physik studiert, aber arbeitet seit gut 20 Jahren an Neuronalen Netzen. Er vermittelt den Stoff sehr gut, wovon ich bisher aber noch nicht sehr profitiere, da ich schon Neural Symbolic Integration in DD gehört habe und sich die Grundlagen überschneiden.

Machine Learning: Ata Kaban hat den schwierigsten Akzent aller Lehrenden, aber durch einiges Vorwissen, kann ich das gut überbrücken. Nach dem die zweite und dritte Vorlesung gleich ausgefallen waren, ging es nun mit Klassifikation los. Schön war eine übersichtliche Gegenüberstellung von Maximum-a-posteriori- (MAP) und Maximum-Likelihood- (ML) Schätzverfahren. Auch Konzepte wie a-priori, posteriorie, bedingte Wahrscheinlichkeit und  Verbundwahrscheinlichkeit wurden sehr anschaulich eingeführt. Auf eine Maßtheoretische verortung der Wahrscheinlichkeitstheorie wurde allerdings verzichtet.

An den Mittwochen war ich  wieder Klettern im Redpoint Climbing Centre. Besonders schön war eine Route die man gut piazen konnte, allerdings muss man an der überhängenden Schlüsselstelle die Richtung ändern, was mir bisher noch nicht gelungen ist. Ich verbrachte anschließend noch einige Stunden im Boulderbereich, wo es sehr viele verschiedenartige Probleme gibt. Am meisten probierte ich mich an nicht-überhängenden kleintritt und -griffigen Balanceproblemen.

ausnahme
Die Ausnahme.

Am Freitag (11.10) gegen 6:00 pm war Treffpunkt am Munroe Sportscenter zur Abfahrt für Stanage. Irgendwann war jedem seinem Kleinbus oder Auto zugeordnet und alles Gepäck verladen. Die fahrt ging Richtung norden, wo wir kurz vor dem Ziel noch an einem Riesigen Tesco hielten um Lebensmittel und Booze eindeckten. Am Abend war kurzweilig mit viel socializing. Jake hatte auf der Autofahrt einen angefahrenen Fasan gefunden, der abgebrüht, gerupft, ausgenommen und schließlich  gebraten wurden. Zwischen 1:00  und 2:00 am begab ich mich zu Bett.

Stanage Egde
Stanage Edge — eine mehere Meilen lange Felskante

Am nächsten Morgen wurden wir um 7:15 geweckt, anschließend gab es Frühstück, was jeder mit selbst mitgebrachten Sachen bestritt. Das Club Komitee hatte Gruppen eingeteilt, in denen geklettert werden sollte. Gegen 9:00 Uhr fuhren wir ein kurzes Stück bis zu  einem Parkplatz unterhalb von Stanage Edge. Ich legte meine Regenüberhose an, den es war ein dauerhafter nieselregen, dann stiegen wir ein kurzes Stück einen Hügel hinauf, bis sich schließlich die Felskante aus dem Nebel schälte. Da Vorstieg bei der Nässe zu gefährlich war, wurden nun einige Toprope Stationen eingerichtet, an denen die jeweiligen Gruppenführer sicherten. Meine erste Route hatte einige Stellen mit weniger guten Griffen, welche bei trockenem Fels mit Reibung gut machbar gewesen wären, so rutschte ich einige male ab. Die anderen Routen waren griffiger, und gingen mit etwas Technik auch bei Regen sehr gut.

Stanage Edge
Ich am Fels.

Trotzdem beendeten wir das Klettern um die Mittagszeit, da einige sehr nass und kalt waren. Nach einer kurzen Mittagspause in unserem Quartier, fuhren wir zu zwei Indoor- Kletter- bzw. Boulder-Hallen in Sheffield, wo wir den Nachmittag verbrachten. Abends gab es zunächst Ming (d.h. die Komittee Mitglieder kochten Pasta)  und dann Meanie (ein alkoholisches Gebräu mit vielen Zutaten angerührt in einem großen Mülleimer), was mehr als 400 Jahre alte Rituale auf der ersten Kletterfahrt des Studienjahr sind (Den Club gibt es seit den 30er Jahren des letzten Jahrhunderts). Es gab einige Spiele wie Kommando Bimberle, Sockenwrestling, Twister, vertikales Tisch umrunden ohne den Boden zu berühren sowie ein Boulderproblem: vom Türrahmen, zu einer Querleiste über der Tür zu einem Fensterbrett über der Leiste. Gegen 2:00 Uhr zog mich auf das Zimmer zurück, wo ich mich mit Mat noch länger über UK und Sachen die Deutschland anders sind unterhielt, und irgendwann schlief. Am nächsten morgen gab es erst gegen 9:00 Uhr Frühstück. Gegen 11:00 Uhr teilten wir uns in eine Indoor und eine Outdoor Fraktion auf, wobei ich letzterer angehörte. Das Wetter war besser, weniger Nebel, aber immer noch nieselig und auch nicht trocken. Die Routen wurden wieder toprope geklettert und waren etwas schöner als am Tag zuvor.

Schließlich packten wir und fuhren nach Birmingham zurück. Leider geriet mein Minibus und einige andere Busse in einen Stau. In Folge eines Unfalls war die Autobahn für einige Zeit in beide Richtungen voll gesperrt. Nach etwa dreieinhalb Stunden waren wir dran mit umdrehen und konnten auf der letzten Ausfahrt von der Autobahn runter. So war ich dann erst kurz vor 11:00 pm wieder in meinem Zimmer.

Am nächsten Tag begannen neben dem normalen Vorlesungen auch einige Sprachkurse für internationale Studierende. Ich werde zu den Grammar-Kursen gehen, da ich hier meine Hauptproblemfelder sehe. Der Lehrende ist recht witzig, und vor allem dass er ständig betont, was für einen Unsinn man in der Schule beigebracht bekommt, macht die Einheiten kurzweilig. Zum Beispiel gibt es im Englischen nur zwei Zeitformen: Present und Past. Es gibt keine Zukunftszeitform, sondern nur Aspekte in Present und Past-Tense um über die Zukunft zu reden. Viele von den Regeln, die man in der Schule lernt, sind grobe Vereinfachungen, denn häufig hängt die grammatikalische Struktur stark von den Vokabeln ab, die man gerade benutzt. Ich hoffe, dass ich diese Zeit nutzen kann, da ein paar offen Baustellen zu bearbeiten — auch wenn ich von den Engländern häufig zu hören bekomme, dass ich sehr gut spreche. (Dieses Urteil ist möglicherweise darin begründet, dass kaum einer eine von ihnen eine Fremdsprache halbwegs passabel spricht.)

Das darauffolgende Wochenende begann am Freitag Abend mit einer Boulder Challange im Birmingham Boulder Centre. Durch Wettbewerb sollte ein Boulder-Team für den UBMC ermittelt werden, dass später bei anderen Wettbewerben antritt. Es gab viele schöne Kletterprobleme zu lösen, ich denke nicht, dass ich im Team bin, was auch unpraktisch wäre, da ich nur den Herbst über da bin. Danach wollte ich mich eigentlich noch mit einigen der Kletterer in Selly Oak in „The Goose“ treffen, da sie aber ein Taxi nahmen und ich den Zug, und ich außerdem noch zwischenzeitlich das Chalkbag von Owen fand, welches er verloren hatte, und ihm hinterher trug, lag bestimmt eine halbe Stunde zwischen unserer Ankunft und ich fand niemanden dort vor. Ich ging also nach Hause, guckte noch ein nettes Video von Simon Peyton Jones über Lenses, und schlief schließlich irgendwann ein.

Stonehenge
Stonehenge, touristisch erschlossen.

Am nächste Tag war ich recht träge, arbeitete dann aber an einigen Beweisen für Assignments und ging am späten Nachmittag, als es mit Regnen aufgehört hatte, eine Runde laufen. Sehr verschlammt und dann auch müde, kehrte ich zurück und ging früh schlafen.

Für den Sonntag hatte ich eine Busfahrt nach Stonehenge und Bath gebucht. Das EISU (English for International Students U???) bot solche Reisen an, und als ich eine Email im Uni-Postfach hatte, dachte ich das wär von ihnen. War es aber nicht und es war auch relativ teuer. Nunja, gebucht ist gebucht, wir fuhren mit dem Bus zunächst nach Stonehenge, was etwa 3 Stunden dauerte. Unterwegs unterhielt ich mich viel mit „Godfrey“, einem chinesischen Chemie-Stundenten, der neben mir saß. (Die Chinesen geben sich in Europa meißt Namen, die man hier bessen aussprechen und sich merken kann.)  In Stonehenge regnete es, und es gab außer ein paar Steinen und Schafen auch nicht sehr viel zu sehen. (Wenn ihr mal in England seid, dort müsst ihr wirklich nicht hin!)

Royal Crescent
Ich vor dem Royal Crescent.

Lichthof
Lichthof am Circus.

Sehr viel angenehmer war es in Bath, da kurz nach unserer Ankunft, der Regen aufhörte und ab dann die Sonne schien. Die Stadt ist nach einer Römerbad benannt, das sehr gut erhalten ist, von mir aber ob der knappen Zeit und den 12 Pfund Eintritt nicht besichtigt wurde. Stattdessen drehte ich mit Godfrey und Marly (einer ebenfalls chinesischen Mitbewohnerin von Godfrey) eine längere Runde durch die Stadt. Es ist sehr lustig anzusehen, was die Chinesen alles Fotographieren, vor allem, wenn sie wie Godfrey ein iPad dafür benutzen. Bath ist recht hübsch, eine offenbar sehr einheitlich im 18. Jahrhundert im klassizistischen Stil geplante und gebaute Stadt. Angenehm sind die weitläufigen eingeschlossenen Grünflächen.  Außerdem wurden die Kellergeschosse recht interessant als Wohnraum nutzbar gemacht, indem man vor den Häusern eine Art Lichthöfe eingelassen hat. Naja, nach einiger Zeit wirkt es aber doch etwas monoton.